Über mich

Über mich

So, jetzt ist es also beschlossen, ich werde während meiner Auszeit unter Segeln ein Reisetagebuch führen und hier veröffentlichen. Das kann ich mir jetzt doch ganz nett vorstellen – auch gerade während der langen Ozeanpassagen – zumindest das Gefühl zu haben, irgendwie mit zu Hause verbunden zu sein.  Hochladen kann ich die Einträge natürlich nur mit Netzabdeckung – da muss ich erst mal sehen, wie das im Laufe der Reise so klappt – evtl. wird’s dann ja auch nur ein Wochenbuch.

Wie bin ich denn überhaupt auf die Idee gekommen?

Ich habe 2006 bei der Volkshochschule in Nienburg den ersten amtlichen Führerschein im Wassersport gemacht, den „Sportbootführerschein Binnen“, anschließend gleich den „Sportbootführerschein See“ und beides erweitert „unter Segeln“ – weil wenn, dann wollte ich auf jeden Fall segelnd und nicht motorend unterwegs sein.  Vom Prinzip kann man auch ohne jeden Schein um die Welt fahren, solange der Einbaumotor nicht mehr als 15 PS hat – wie es bei meinem jetzigen Boot der Fall ist. Aber wenn, dann wollte ich zumindest theoretisch wissen, wie das alles eigentlich gehen müsste und habe die Scheine gemacht.

Im Kleinanzeigenteil unserer Tageszeitung war dann vor 14 Jahren eine uralte Kunststoff-Jolle mit kleiner Schlupfkajüte annonciert. Die hatte ich einige Jahre auf dem Steinhuder Meer liegen und bin immer fleißig um den Wilhelmstein herumgesegelt. Oft alleine, mal zu zweit, einmal mit meinen Eltern (da meiner Mutter vorher niemand gesteckt hat, dass so eine Jolle auch kentern kann – sonst wäre sie da nie eingestiegen), einmal zu fünft – und da sind wir dann auch prompt gekentert. Es war der Vortag der Konfirmation von Enno, meinem Sohn, der am Bootsrand hing und rief, dass er nicht sterben will. Das einzige Motorboot auf dem See hatte an dem windigen Tag gut zu tun, aber schließlich wurden auch wir alle gerettet.

Da ich nun wusste, wie das mit dem Kentern geht, fühlte ich mich fit für die Ostsee, für „rund Rügen“. Die Crew war schnell zusammengestellt. Ralf war zwar gänzlich unbeleckt vom Segeln, erfüllte aber die fast wichtigere Voraussetzung (zumindest wenn einer an Bord so halbwegs weiß, wie’s geht) – er hatte Lust. Musste nur noch ein Außenbordmotor her, aber den hatte Gabi in weiser Voraussicht ca. 20 Jahre zuvor in Italien gefunden und seitdem gammelte er in deren Keller vor sich hin. Aber so kleine Zweitakter sind ja schier unverwüstlich, einmal gezogen und der kleine Freund lief. Was er dann, als es in den engen und kurvenreichen Strelasund ging, zwar nicht mehr machte, aber das ist eine andere Geschichte…

Mit Ralf und „Grete IV“ (so hieß die Jolle bereits – und „Grete“ fand ich nett) ging es dann im Jahr drauf noch einmal in die Dänische Südsee, aber dann fing Ralf an zu maulen, er möchte nicht immer nur kriechend seine Koje erreichen, sich auch mal darin umdrehen können – und außerdem hätten wir in jedem Hafen den kürzesten Mast.

Also habe ich mal geguckt, was für ein erschwinglicher, trailerbarer Bootstyp mir gefällt und bin in Südengland auf eine Newbridge Corribee gestoßen. Ein ca. 30 Jahre alter Kimmkieler (der hat nicht einen tiefgehenden Kiel in der Mitte, sondern seitlich zwei Kiele, auf denen er stehen kann und die im Tidenrevier sehr praktisch sind – weil, wenn das Wasser weg ist, fällt das Schiff nicht um, sondern steht auf seinen 2 Kimmkielen). Der Kauf war insgesamt ziemlich witzig, weil ich mir einen Kaufvertrag ausgedacht und auf Englisch zusammengestümpert habe, sich dann herausgestellt hat, dass der Verkäufer Rechtsanwalt ist und in Deutschland auf der Suche nach einem Wohnmobil war, um mit seiner neuen Partnerin und seinen 3 und ihren 2 Teenager-Töchtern in Urlaub zu fahren. Ich habe dann zusammen mit ihm die Zulassung des Wohnmobils in Halberstadt gemacht (aber auch das ist eine andere Geschichte – die Ozeanpassagen sind ja zum Glück recht lang…) und ein paar Monate später das Boot per Trailer aus England geholt – nachdem Andrew auf meine Frage, ob er das Boot für seetüchtig genug hält, es über den Kanal zu segeln, meinte, wenn ich es mit dem Trailer hole, zahlt er die Überfahrt per Fähre… Ich hatte trotzdem volles Vertrauen in den Kauf und das wurde auf dem Törn von Poole aus um die Isle of Wight im Solent (der Wiege des europäischen Segelsports) und den diversen Ostseetörns auch nicht enttäuscht. Coriander steht jetzt auf ihrem Trailer bei mir in der Scheune – mal sehen, wie’s mit ihr weitergeht.

Das hört sich ja alles recht kostspielig an, das ist jetzt ja schon sein 2. Boot! Das kann man natürlich alles „von – bis“ haben. Die Jolle hat 650 € gekostet, hat aber unbezahlbaren Spaß gemacht. Sie habe ich für’s gleiche Geld wieder verkauft (ja, natürlich auch ‘was reingesteckt) und für 1.000 Pfund Coriander gekauft. Und eine der tollen Sachen am Segeln ist – ganz egal, in welcher Preiskategorie man unterwegs ist, abends liegt man an den schönsten Orten der Welt in der Marina und genießt seinen Sundowner im Cockpit!

Im Februar letzten Jahres habe ich eine Reha-Maßnahme gemacht und hatte etwas Zeit zum Nachdenken. Die Zipperlein nehmen zu und die Endlichkeit des eigenen Daseins wird mir – wie wahrscheinlich jedem in meinem Alter von um die 55 – regelmäßig vor Augen geführt, wenn ich mich im Kolleg*innen und Bekanntenkreis umsehe. Was liegt denn da näher, nichts auf irgendwann mal und damit auf vielleicht gar nicht mehr zu verschieben, sondern die Dinge jetzt anzugehen. Ich fand es immer toll, aber irgendwie trotzdem halbstark, max. 2 Wochen für einen Segeltörn Zeit zu haben. Viel schöner wäre es doch, einfach losfahren zu können und erst in 1 Jahr wieder zurück sein zu müssen. Die beiden Kinder sind zwar noch in der Ausbildung, bekommen das alles aber natürlich mindestens genauso gut hin, wenn Papi nicht zur Verfügung steht. Und ihre Mutter (von der ich so ca. 20 Jahre getrennt lebe) ist ja auch noch da. Eine Partnerin habe ich derzeit nicht, sonst wäre ich wahrscheinlich nicht auf die Idee mit der Auszeit gekommen.  Und als Beamter bin ich in der wirklich komfortablen Situation, dass ich am 1. August 2022 wieder meine Bürotür aufschließen und weiterarbeiten darf – also drauf los!

Da Coriander mit 6,30 m etwas klein ist und auch keinen vernünftigen, wirklich nutzbaren Kajütaufbau hat, musste ein größeres Boot her. Ich muss dann immer an den Weißen Hai denken und die Szene als Chief Brody von dem Boot aus, mit dem sie den Hai fangen wollen, zum ersten Mal den weißen Hai sieht und sagt: „Ich glaube, wir brauchen ein größeres Boot“. Ich habe dann wieder in England nach Booten gesucht, in deren klassische Linien ich mich verguckt habe. Es sollte ein Langkieler sein (Boote, bei denen der Kiel von vorne bis hinten durchgeht; die sind sehr seegängig und spurtreu, aber etwas träge und schlecht rückwärts zu manövrieren; heute werden überwiegend Boote mit untergebolztem, freistehendem Kiel gebaut), max. 10 m lang, Tiefgang max. 1,50 m. Ach ja, und max. so ca. 17.000 € (plus ca. 10.000 € für Instandsetzung + Ausrüstung) kosten. In Troon, in der Nähe von Glasgow habe ich mein Boot gefunden. England hatte ja lange die Grenzen dicht wegen Corona, ich hatte trotzdem einen Flug gebucht und tatsächlich wurden die Grenzen wieder 1 Tag vor meinem Flug geöffnet. Ich konnte mir die Halmatic 30 zwei Tage lang ausgiebig ansehen (der Mast war allerdings noch nicht gestellt) und habe sie schließlich für 15.000 € gekauft. Das Boot ist 8,99 m lang, hat 1,40 m Tiefgang und Baujahr 1979. Damals ging das mit den Kunststoffbooten erst los und man wusste noch nicht so recht, wie dick die laminiert werden müssen, daher galt die Devise „Viel hilft viel“ – entsprechend robust sind die ersten Boote. Von der Halmatic 30 wurden ca. 160 gebaut, von denen noch so ca. 90 segeln sollen.

Also musste das Boot jetzt nach Hause gesegelt werden. Schnell noch bei eBay-Kleinanzeigen einen Bootswagen in Hamburg gekauft, der eigentlich passen müsste, um das Boot später zu mir nach Hause in die Scheune zu bekommen. Und los ging’s mit Lutz die 1. Etappe von Troon durch den Caledonian Canal inkl. Loch Ness nach Inverness. Die 2. Etappe führte mit Ralf von Inverness nach Edinburgh und die 3. Etappe mit Theda, meiner Tochter, von Edinburgh über Helgoland nach Bremen. Das hat vom Prinzip alles super geklappt, wenn auch nach 42 Jahren so einiges unterwegs kaputt gegangen ist. In Bremen habe ich bei der Bootswerft Maleika den Mast legen und einlagern lassen und bin dann die letzte Etappe bis zur Marina Mehlbergen unter Motor gefahren.  Über den letzten Winter habe ich das Boots zu Hause in Stand gesetzt, im April dieses Jahres wieder in Mehlbergen kranen lassen und zurück nach Bremen gebracht. Dort liegt das Boot jetzt im Hohentorshafen und wartet drauf, noch einmal gekrant zu werden, damit u. a. die Stopfbuchse getauscht werden kann (die dichtet an der Motorwelle, an der außen der Propeller sitzt, den Innenraum gegen das Wasser ab).

Aber, der Mast steht endlich seit vorgestern und in der kommenden Woche soll es endlich gekrant werden, damit ich am 1. Juli die Leinen loswerfen kann…

Was habe ich denn überhaupt vor?

Es soll eine Atlantikrunde werden, also von der Marina Mehlbergen aus die Weser runter in die Nordsee und dann „links ab“ an den Ostfriesischen Inseln lang, an den westfriesischen Inseln vorbei und kurz vor Calais über den Ärmelkanal nach Südengland bis Poole (dort habe ich damals meine Coriander gekauft). Von da aus nach Südwesten über Guernsey in die Bretagne, weiter über die Biskaya, die portugiesische und spanische Küste hinunter, über die Straße von Gibraltar nach Marokko. Von Marokko auf die Kanarischen Inseln, weiter auf die Kapverdischen Inseln und dort aus über den Atlantik in die Karibik. Einmal die karibische Inselkette nach Norden abklappern, also über Barbados nach Martinique, Guadeloupe, Antigua, British Virgin Island, Puerto Rico, Turks and Caicos und die Bahamas nach Florida. Und mal sehen, dann eigentlich die US-Ostküste hoch bis Canada und von Halifax aus das lange Stück zurück über den Atlantik nach Südengland – und da schließt sich dann der Kreis.

Also, so der Plan! Aber erstmal am 01.07. um 7:46 Uhr mit ablaufendem Waser bis Bremerhaven – und dann mal sehen…

Und nächste Woche wird hoffentlich endlich die Stopfbuchse getauscht…